Ich laufe durch die Gegend mit einem alten Radio von Grundig unter dem Arm. Auf ihm klebt ein kleiner Marienkäfer – als Glücksbringer. Das Radio stand einst im Keller meines Opas und begleitete ihn, w?hrend er arbeitete. Vor seiner Rente war er Maler und Anstreicher ? aus diesem Grund weist auch das Radio einige kleine Farbkleckse auf und wirkt auch so etwas in die Jahre gekommen. Es stand nicht immer im Keller, sondern wanderte, so wie die Leiter und Pinsel, zu den Arbeitsst?tten meines Opas. Heute würde es wohl schon fast wieder als „Retro“ durchgehen und das eine oder andere Wohnzimmer zieren.
Nicht bei mir – ich trage es durch die Landschaft und mache Fotos von ihm. Die Idee ist nicht neu und kam mir bereits vor etlichen Jahren. 2008 schoss ich das erste Bild meiner „Radio Nowhere“-Serie, die rasch an die zwei Dutzend Fotos umfasste. Doch was war die Idee dahinter? Warum dieses Radio? Warum überhaupt ein Radio?
Grund eins war nicht zuletzt die Tatsache, dass ich das alte Schätzchen bereits zu Kinderzeiten wahrnahm, da es über der Werkbank meines Opas im Keller stand und ihn beim Basteln unterhielt. Und oh Wunder – selbst heute funktioniert es noch. Mein Opa besitzt heute ein neues, moderneres Gerät, nicht zuletzt, weil ich ihm das Grundig-Radio freundlich entwendet habe, um es als Model zu nutzen.
Erinnerungen sind es also, die mich mit diesem alten Radio verbinden. Ein weiterer Aspekt ist ohne Frage ein ganz bestimmt es Lied, das mich eigentlich erst dazu bewegt hat, das Radio fotografisch zu nutzen. Gemeint ist „Radio Nowhere“ von Bruce Springsteen, der namensgebende Song meiner Fotoserie. Thematisch handelt der Song von einem Suchenden, der sich ständig fragt, ob da draußen noch jemand am Leben ist, der sich wie eine verlorene Nummer in einer Akte vorkommt, nur den Weg Nachhause und eine Welt mit etwas Seele sucht. Ich selbst habe das Lied auf etwas projiziert, das ich selbst mit meiner Fotografie erleb- und sichtbar machen möchte: Das uns Umgebende, das Alltägliche, das, was so normal und immer da zu sein scheint. Ich persönlich möchte das Alltägliche mit meiner Fotografie zu etwas Besonderem machen und den Betrachter dazu ermuntert, seine Umgebung wieder mehr wahrzunehmen und sich eben nicht wie irgendeine Nummer in einem großen System von Milliarden andere Nummern zu sehen. Verlorene Verbindungen zum Alltäglichen sollen wieder aufgenommen werden und das Schöne, das uns umgibt wieder erkennbar werden und nicht zu einer seelenlosen Umgebung verkommen.
„Und so stellt er ein Radio in die Landschaft?“, mag jetzt die Frage sein. Ja genau. Ich stelle ein Radio in die Landschaft und platziere es an Orte, an denen man vorbeigeht, ohne sie wahrzunehmen. Dieses „Radio Nirgendwo“ soll in gewisser Hinsicht ein Schild in der Landschaft sein, auf dem steht „Schau hin, hier ist etwas“, bevor es wohlmöglich für immer verschwindet und die Szenerie zu etwas Seelenlosem verkommt.
In den nächsten Wochen und Monaten möchte ich die Serie wieder aufleben lassen und freue mich, bald erste neue Fotos hier auf meiner Seite präsentieren zu können.
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